STARING GIRL
Als Staring Girl 2012 ihr Debutalbum bei K&F Records veröffentlichten, wurde gesagt, dass der Sound schüchtern, in seinem positivsten Sinne, sei. Eine Stimme, die sich nie erhebt, die eher ungelenk als extravagant ist und dabei von einer Band gestützt ist, die so unaufdringlich rumpelnd spielt, dass man beim Hören in einen packenden Sog gerät. Mittlerweile sind ein paar Jahre vergangen und Bandvorstand Steffen Nibbe ist mit komplett neuer Besetzung unterwegs, die sich zu großen Teilen aus der alten Gisbert zu Knyphausen-Band rekrutiert und besonders live jetzt ordentlich zu flowen weiß. Vibrafon, Klarinette oder Flügelhorn sind ebenfalls von Zeit zu Zeit dabei, die besondere Sichtweise auf unseren Alltag in Nibbes Texten sowieso. Clever ist das, norddeutsch maßvoll trotz aller Live-Energie auch.
Die Hamburger Band, die zudem diverse Sampler-Beiträge beim umtriebigen Netz-Label Omaha Records ihr Eigen nennen darf, war u.a. als Support von Gisbert zu Knyphausen und Erdmöbel auf Tour, bevor im April 2018 ihr neues Album „In einem Bild“ bei KOMBÜSE Schallerzeugnisse veröffentlicht wurde. Das neue Album, das sich irgendwo zwischen Americana, Singer-Songwriter und Indiepop verorten lässt, wurde im Watt’n Sound-Studio an der nordfriesischen Nordseeküste live und analog auf Tonband aufgenommen.
Musik ist die Antwort, aber niemand hat gefragt
OVE haben trotzdem eine Platte aufgenommen und mit dieser dem tausendäugigen Wal eine neue Schuppe geschenkt. Wale haben keine Schuppen? Dann eben ein Horn, so lang, dass es auch dann noch zu sehen ist, wenn der Wal den Grund nach Krill absucht.
Jeder der die Grenzen seiner Welt schon lange abgesteckt hat und glaubt über wichtig oder nichtig in 30 Sekunden entscheiden zu können, höre hier bitte bitte ein bisschen länger und genauer hin. Diese Songs machen dich nicht traurig, sie kicken dich soft von der Klippe und fangen dich auf halbem Flug wieder ab.
Nein, Ove Thomsen ist nicht der erste junge Mann in Jeansjacke, der fragt wohin mit sich im Gefühlsmoloch, aber wie er singt „Dieses Hin und Her findet kein Ende mehr“: Das ist die neue Schuppe, das neue Horn. Wenn er im 2 und halb-minütigen Husarenstreich „Ich will ein Haus bauen“ schreit „Solange sich mein Körper wehrt, machen wir Musik“, meint man, Conor Oberst singe leise als Fussnote: „let the traveling band on the Interstate remain“. Sowieso klingt hier einiges an guter Musikgeschichte mit. Da wo z.B. „Faden und Fell“ aufhört, könnte auf einem Sommer-in-Schweden-wenn-mal-die-Mücken-ausser-Acht-lässt-Mixtape „Avalanche“ von Leonard Cohen kommen. Wir sehen auf diesem Album den Dreck unter den Nägeln von Neil Young, schmecken den Kork im Wein von Sven Regener und grüßen Gisbert zu Knyphausens geliebt/gehassten Melancholie-Clown, der auch in OVEs Tourbus einen fest zugewiesenen Platz hat.
Der russische Grübler Fjodor Dostojewski meinte mal über Columbus, er sei nicht glücklich gewesen, als er Amerika entdeckte, sondern als er es entdecken wollte. In diesem Sinne sind auch OVE glücklich und machen glücklich, zumindest mich. Merci für diese Musik.
Von Francesco Wilking