DIE LIGA DER GEWÖHNLICHEN GENTLEMEN
2017 erreichte die Liga mit ihrem Album „It’s OK To Love DLDDG“ zu ersten Mal in der Vereinsgeschichte eine Chartposition, zwar nur #60, aber immerhin. Nachdem die Bandmitglieder ihre Haftstrafe wegen Erpressung verbüßt hatten, begaben sich die 5 Gewöhnlichen schnurstracks ins Studio um die in der JVA geschrieben Songs aufzunehmen. Das Ergebnis ist das am 23.8. bei Tapete Records erscheinende Meisterwerk: „Fuck Dance, Let’s Art!“. Es handelt u.a. von Robert Mitchum, einem einsamen Matratzenmarkt und einem Leben in Rot (mit purpurnen Blitzen). Es klingt als als hätten sich die Modern Lovers zusammen mit Style Council im Übungsraum der Kunsthauptschule eingeschlossen. Liga-Style in Perfektion! Entweder man liebt es oder man liebt es. Live wird es die neuen Kracher und die alten Hits geben. Karten am besten im VVK kaufen, ansonsten vermutlich: Langes Gesicht am Konzerttag.
PETTING
Der Club mag noch so düster, der Winter noch so trist sein. PETTING ist bester Beat-Pop aus Berlin, der intravinös genossen gegen Winterstarre ebenso hilft wie gegen den Blues verregneter Sommer. Charmant und wild und mit einer guten Portion Schrägheit und einem Quäntchen Trash lässt das Quintett mit Sängerin Malika selbst das Bein passionierter Nichttänzers zucken.
Mit dem dritten Album „Joli Garcon“ (auch auf Vinyl zu haben) hat PETTING sein Genre erweitert. Unverwechselbar bleibt der französisch-englische Sound der Band, deutlich ihre Wurzeln im R&B, Rock’n’Roll und dem Garagen-und aufkeimenden Punksound der sechziger und siebziger Jahre.
Mit Sängerin Malika Ziouech, den beiden Gitarristen Peter Weiss (Mobylettes) und Michele Veleno (Lolitas + Banda Veleno) sind wieder die Ur-Pettings am Werk. Neu hingegen ist die Bassistin Chris Molt (Casino Gitano + Heavy Mädels) die trotzig Akzente in Songs setzt, während Schlagzeuger Danny Bruder (CPS + Gunjah) einem direkt in die Beine trommelt.
Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen – Fuck Dance, Let’s Art
Ich höre sie schon wieder mäkeln, die Pfennigfuchser und Minutenzähler, die angesichts einer guten halben Stunde Spielzeit beginnen, von Preis-Leistungs-Verhältnis und Nepper-Schlepper-Bauernfängerei zu lamentierten. Abgesehen davon, dass Länge nur sehr selten ein echtes Qualitätsmerkmal war und ist, so kann man die wahre, innere, bleibende Größe eines Meisterwerks sicherlich nicht an solch profanen Maßeinheiten festmachen. Und seien wir ehrlich – wie es diesem kunstsinnigen Quintett einmal mehr gelingt, andererwärts völlig ignorierte Glanzlichter des Alltags von der einzig wahren Liebe zu sich selbst bis hin zum tragischen Ende des vertrauten Matratzenspezialgeschäfts mit außerordentlichen Abenteuern einzigartiger Einzelgänger vom letzten großen Bohemian bis hin zum rosenzüchtenden Ruheständler des aufregenden Agentengeschäfts auf eine gefühlsgewaltige Geschehensebene zu heben, und dabei mit einer sprachlich gelassenen Eleganz zu brillieren, die sich nicht in großartigen Titeln wie Hässlich Und Faul, Musik Und Der HSV oder Fuck Dance, Let’s Art erschöpft, sondern bis in die letzten Textenden wirkt (Wo sind Verkäufer und die Matratzen jetzt nur hin?), ist nicht nur eigensinnig, sondern einzigartig. Aber es ist nicht allein die inzwischen geliebt-gewohnte Alltags-Sprachgewandtheit, die das erfrischende 2019er Vollwerk auszeichnet, vielmehr scheint die musikalische Macht des bewandert-beweglichen Fünfers von Album zu Album zu wachsen, wird hier in gut 31 Minuten doch ein makellos dargereichtes, durchweg mitreißendes stilistisches Feuerwerk zelebriert, dass DLDGG wie einen einsamen Kreativ-Kometen am hiesigen Power-Soul-Pop-Himmel leuchten lässt. Die erschreckend eingängigen Texte in packende, zum Mitsingen mitunter nahezu zwingende Melodien gegossen, nutzt die Instrumental-Abteilung zahllose Möglichkeiten der in- und ausländischen Pop-Musikgeschichte der vergangenen ca. 60 Jahre, um zeitlose Tanz- & Kunst-Diamanten zu formen. Mit bestens beherrschtem Saiten-, Schlag- und vor allem Tasten-Werk wird hier ein atemlos stilvoll gemischtes Pop-Potpourri zwischen Power-Pop und Punk, grimmiger Garage und großer Gala-Geste, geselligem Pub Rock und zickigem Funk, groovendem Soul und peitschendem Sixties-Soundtrack gezaubert, der schon beim ersten Hörgang schwindeln lässt. Ihren handwerklichen Höhepunkt aber findet die musikalische Meisterschaft des quietschfidelen Quintetts in zwei Instrumentals (Escape From Martinique und das genial-großartige Titelstück), die mich jetzt von dem ersten Sixties-Space-Spionage-Thriller-Soundtrack der DLDDD-Geschichte träumen lassen. Gekrönt von einer Cover-Gestaltung, die Geist, Gelassenheit und wahre Größe in sich vereint, hält man hier ein echtes Meisterstück in den Händen, ein wertvolles Werk, das geistigen Kleinkrämern wenn nicht gleich das Fürchten, so doch das Schweigen lehren wird. // (cpa)/Glitterhouse