Staring Girl – „Schräg fällt das Licht“
Musik kann etwas Heilendes sein. Kopfhörer auf und rein in ein gemeinsames Gefühl. Ein Mittel gegen Einsamkeit.
Die Hamburger Band Staring Girl schafft mit dem dritten Album „Schräg fällt das Licht“ genau das. In ihren Liedern öffnen sich ganze Welten, durch die Sänger und Songschreiber Steffen Nibbe „vorbei an all den Häusern, all den Bäumen und Plätzen. Vorbei an all den Menschen, die sich lieben und verletzten“ (Parkplatz) führt – in einer Prosa, die nüchtern vom Alltäglichen ausgehend grundsätzliche Fragen stellt.
Auf den 13 neuen Songs wird Nibbes rhythmisch gespielte Gitarre von vertrackten Bassläufen (Frenzy Suhr, Gunnar Ennen), atmosphärischem Schlagzeugspiel (Lennart Wohlt), Klavier- und Orgelklängen (Gunnar Ennen) und vielen elektrischen Gitarren (Jens Fricke, Gunnar Ennen) getragen. Dazu gesellen sich Lapsteel, Synthies, Wurlitzer, Bläser, Streicher, Marimba- und Vibraphon. Soundlandschaften vereinen ausufernde Gitarrensoli mit selbstbewusstem Pop, was definitiv neu im Staring Girl-Kosmos ist.
Der Opener „Menschen in Geschichtsbüchern“ gibt die Richtung vor: federleicht führt er ins Album hinein, das sich insgesamt mit leichten Schritten in Richtung einer helleren Zukunft zu bewegen scheint. „Die Liebe ist von allem das Größte“ hat, passend zum Titel, vielleicht die größte musikalische Kraft auf dem Album. „Die Liebe ist von allem das Größte / Und wenn sie endet auch“, singt Nibbe. Drums, Bass und eine leicht bluesig angehauchte, alte Akustikgitarre mit halb verrosteten Saiten rappeln wie ein alter Dieselmotor. Dazu eine alte Transistor-Orgel, die auch mal in spacige Weiten abtaucht, bevor am Ende Frickes Gitarre losbricht, als wolle sie singen, schreien und weinen zugleich. Doch Herzstück der Platte ist „Schräg fällt das Licht“. Nibbe beschreibt eine Art persönliches Weltereignis. Ein neu geborenes Kind liegt vor dem Protagonisten und erleuchtet seine Welt: „Es ist gut so, wie es ist. Und wie es wird, wissen wir nicht.“ Bei „Parkplatz“ groovt, poltert und scheppert das Schlagzeug, ein leicht verstimmtes Klavier pendelt irgendwo zwischen Honkytonk- und Reggae-Anleihen. Ein Song, der im Hier und Jetzt lebt, denn „bis am Ende alles wieder zerfällt haben wir noch Zeit“. Neben den vielen inneren Welten, die auf dem Album verhandelt werden, ist „Leuchten“ auch ein Kommentar zur Zeit, eine Parabel für den Krieg in Syrien, der Ukraine oder anderswo, bei der trotz aller Dystopie die Hoffnung klar den Weg leuchtet: „Und sie laufen unter den gleichgültigen Sternen der Nacht / Bis die Bäume wieder ausschlagen und dann wunderschön blühen / Warum denn jetzt noch nicht? Warum nicht gleich? / Weil die Finsternis es noch nicht begreift.“ Überhaupt ist Licht ein zentrales Motiv. Und wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten. So sind die Protagonisten der Lieder immer wieder dem Spiel zwischen Helligkeit und Dunkelheit ausgesetzt. Doch im letzten Stück der Platte heißt es: „Alles wendet sich zum Licht / Jetzt auch ich.“ (Im Park)
Seit ihrem letzten Album „In einem Bild“ (2018) und der ein Jahr später erschienen „EP“ ist einiges passiert. Nibbe wurde Vater, Wohlt kam als neuer Schlagzeuger in die Band und Corona diktierte eine neue Arbeitsweise: Im Sommer 2020 entstanden aus Nibbes Songfragmenten im kleinen Gartenhaus des Schlagzeugers Grundideen, die später mit ganzer Band zu fertigen Songs entwickelt wurden. Aufgenommen wurde das Album in Live-Sessions im WattnSound- Studio/Niebüll und dem Kornboden/Bardüttingdorf. Ennen, der auch als Haupt-Produzent des Albums fungierte, nahm in seinem Studio zusätzliche Details auf, spielte Marimba und Vibraphone, einen alten Moog-Synthesizer, engagierte Posaunen und Flügelhörner und für zwei Titel sogar ein ganzes Streichquartett.
Als Mitglieder der ersten Band um Gisbert zu Knyphausen, als Musiker und Schauspieler in Andreas Dresens Film „Gundermann“, für den sie auch den Soundtrack eingespielt haben, oder als Teile der Band Nullmillimeter waren und sind Mitglieder von Staring Girl aktiv. Staring Girl selbst spielte gemeinsame Konzerte mit Künstlern wie Gisbert zu Knyphausen, Erdmöbel, Fortuna Ehrenfeld und DOTA.
Dem eigenen großen musikalischen Durchbruch steht die Band nahezu gleichgültig gegenüber, geht es ihr doch um die Liebe zur Musik, die als heilende Kraft eben mehr sein kann als die Summe ihrer einzelnen Teile.
Nimmt man die Kopfhörer am Ende des Albums ab, dann mit der Gewissheit, sich „von der Verlorenheit der Welt“ nicht mehr beirren zulassen. „Den Heimweg werden wir immer finden“, heißt es im letzten Titel des Albums.
THE ACT
The act ist eine 2021 gegründete Newcomer Indie-Pop Band aus Hamburg, bestehend aus Felix (Gitarren/Vocals) und Lolo (Keys/Synth/Backing Vocals). Die Musik vereint Anleihen von Indie mit elektronischer Musik und erinnert an Bands wie Beck, The Flaming Lips oder The xx. Die Inspirationen für die Texte stammen aus dem gemeinsamen Alltag der beiden Mitglieder:innen.
Die Band veröffentlichte 2022 ihre erste Single Bubble Trouble und einen Monat später den Song Sunlight, aufgenommen mit dem Produzenten/Engineer Sönke Torpus. Die Songs bilden einen Teil einer EP, welche voraussichtlich im Frühjahr 2023 veröffentlicht wird.
Das Duo begann 2021 damit in ihrer Wohnung eigene Songs auf Klavier und Gitarre zu schreiben. Felix spielte schon seit über 10 Jahren in diversen kleinen Indie-Bands Schlagzeug und ist weiterhin der Schlagzeuger der schwedischen Solokünstlerin jenobi, bei der Lolo Keyboards spielt. Für the act wechselte er seine Rolle zum Songwriter und Gitarristen. Die Band hat ein starkes Interesse an Kunst und künstlerischen Ausdrucksformen, was an den Fotos und dem Artwork der Band abzulesen ist und von ihnen selbst gestaltet wird.
Es gibt diese Bands. Einerseits versteht man nicht, warum sie es bislang nicht auf die ganz großen Bühnen geschafft haben, andererseits möchte man das gar nicht. Man möchte dieses Kleinod an Außergewöhnlichkeit ganz für sich alleine haben. Staring Girl ist so eine Band. Obwohl sie bereits vor einigen Jahren fast schon gewaltvoll in die erste Reihe gezerrt wurde – als Gisbert zu Knyphausen einen Song von ihr in der Show TV Noir coverte –, weigert sie sich nach wie vor beharrlich, den ihr zugewiesenen Platz einzunehmen. 2018 erschien mit „In einem Bild“ das zweite Album von Staring Girl. Sechs Jahre und mehrere Bandumbesetzungen nach dem Debüt-Album „Sieben Stunden und vierzig Minuten“. Umso erstaunlicher, dass sie gleich 2019 eine EP mit Band-Klassikern in neuen Versionen nachlegten. Eine EP, die große Emotionen thematisiert, ohne sie anzusprechen. Gleichzeitig gelingt ihnen der Spagat zwischen Retrospektive und Ausblick. Jenseits von musikalischen Trends haben sich Staring Girl über die Jahre unbeirrt weiterentwickelt und mittlerweile einen vollendeten Band-Sound gefunden, der hierzulande einzigartig ist. Mit Frenzy Suhr (Bass), Jens Fricke (Gitarre), Gunnar Ennen (Gitarre/Tasten) und Lennart Wohlt (Schlagzeug) scheint der Sänger/Songwriter/Texter Steffen Nibbe die gesuchte Staring Girl-Besetzung gefunden zu haben.
Bei den Konzerten begibt man sich mit der Band auf ein musikalisches Roadmovie. Manchmal in strengem Schwarzweiß, anderswo in psychedelischen Farben. Auf dem Rücksitz: Songwriter Steffen Nibbe, der das Beobachtete in eigenwillige Prosa fasst und in nüchterner Touristen-Melancholie besingt. Staring Girl graben sich durch das Chaos und explodieren am Ende in sonnigen Farben. Andere würden vielleicht sagen: eine Mischung aus Songwriter-, Americana und Indiepop.
Ein neues Album ist in Arbeit und wird im Januar 2023 veröffentlicht.
Das Konzert wird präsentiert von ByteFM