Die New Yorker Indie-Rock Band DIIV wurde ursprünglich als Soloprojekt von Zachary Cole Smith unter den Namen Dive gegründet. Mittlerweile besteht die Band neben Smith noch aus Andrew Bailey [Gitarre], Colin Caulfield [Gesang, Bass] und Ben Newman [Schlagzeug]. 2016 musste die Band ihre damalige Tour abbrechen, da Smith unter einer starken Heroinsucht litt. 2019 und damit drei Jahre später meldete sich die Band mit ihrem Album «Deceiver « zurück. Auf dem Album verarbeitet Zachary Cole Smith seinen schweren wie auch befreienden Heroinentzug.
Zum ersten Mal engagierte die Band mit Sonny Diperri (My Bloody Valentine, Nine Inch Nails, Protomartyr) einen externen Produzenten, dessen Präsenz die Klangpalette dramatisch erweiterte und sie reicher und voller als je zuvor machte. Wie schon bei den Vorgängeralben schaffen es DIIV, ihr Faible fürs Melodische wunderbar dynamisch mit der typischen Shoegaze-Schwere zu kreuzen.
KING HANNAH
King Hannah liefern eine Platte ohne Hits – mit intensiven Songs zwischen Grunge und Americana
Das bereits hochgelobte englische Duo King Hannah hat sein Debüt herausgebracht: „I’m Not Sorry, I Was Just Being Me“. Man könnte den Sound als “schwelender Rock” bezeichnen. Hannah und Craig teilen die Liebe für langsame US-Gitarrenbands der 90er. Zu ihren Inspirationsquellen zählen Portishead, Can oder Mazzy Star.
„Ich war eine Sängerin am Tage und eine Kellnerin bei Nacht“ – singt Hannah Merrick gleich zu Beginn der neuen Platte ihres Duos King Hannah. In „A Well Made Woman“ heißt es: „Ich bin eine mutige Frau, eine wohlgeratene Frau, aber ich weiss, dass ich noch lange warten muss, bis ich Mutter werde“. Es sind offene Worte der Sängerin, die gleich im Opener ihre Vergangenheit und ihre Zukunft verhandelt.
Der Name war ein Akt des Empowerments
Im Interview sagt sie uns, dass es in dem Stück darum geht, Stärke zu finden, sich gut zu fühlen. So wie auch der Name „King Hannah“, den sie gewählt hat. Auch er war ein Akt des Empowerments. Hannah singt über viele Dinge, die man auf Platten von männlichen Musikern nur selten hört. Zum Beispiel darüber, dass sie bis zehn Bettnässerin war, die Krankenschwester sie aber mit den Worten tröstete: “Da wächst du heraus, alles ist gut”, zu englisch: „All Being Fine“.
Im Video zum gleichnamigen Song sehen wir nicht das kleine Sorgenkind Hannah, sondern die große Hannah – wie sie und die drei Jungs ihrer Band auf einer Wiese das Lied spielen, während um sie herum ein Typ mit einem Rasenmäher das Gras mäht. Hannah im schwarzen Mantel, ihre langen Haare wehen im Wind, sie spielt die akustische Gitarre. Das Schlagzeug und die verzerrten Gitarren erinnern an das Jahrzehnt, das sie am meisten beeinflusst hat: die 90er, der Mix aus Grunge und Americana.
King Hannah geht klar mit sich selbst ins Gericht
Ein bisschen surreal wird es im Song „Big Big Baby“. Hannah erinnert sich an einen Typen, der ihr nur Schmerzen bereitete, nun aber Vater wird. Sie singt, dass er bald an einem Knödel ersticken sollte – ein Lied, das man nicht 100% Ernst nehmen soll, sagt Hannah: „Der Text ist nicht wirklich ernst, sozusagen. Wir schreiben unsere Lyrics nicht immer aus der Empfindung von der Wahrheit heraus. Sowas macht dann einfach Spaß. Musikalisch könnte man sagen: das Lied geht nie wirklich los. Es schwelt vor sich hin. Da schwingt ein Unbehagen mit.“
Hannah ist eine Künstlerin, die gnadenlos mit sich selbst ins Gericht geht. Nehmen wir zum Beispiel den Wortspiel-Titel „Foolius Caesar“: In dem singt sie, dass sie ein „fool“, eine Närrin sei, weil sie ihn immer noch liebt. Gitarrist Craig Whittle ist damit aber nicht gemeint. Mit ihm teilt Hannah Studio und Wohnung, aber nicht das Bett. Ihre Liebe gilt amerikanischen Gitarren-Bands wie Mazzy Star oder den Cowboy Junkies.
Zwischen Grunge und Americana
In Interviews erwähnen King Hannah als Inspiration aber auch Portishead und die Krautrock-Helden von Can: „Wir haben versucht ein Album abzuliefern, das wir mögen und auf das wir richtig stolz sein können. Mit so wenig Kompromissen wie möglich. Als Titel für die Platte haben wir einen ganzen Satz gewählt: ‚I’m Not Sorry, I Was Just Being Me‘, also ‚Es tut mir nicht leid, ich war nur ich selbst‘. Das haben wir auch schon bei der EP vor dem Album so gemacht, die hieß ‚Tell Me Your Mind I´ll Tell You Mine‘, also ‚Sag mir deine Meinung und ich sage dir meine‘. So ein Satz ist, glaube ich, ein guter Beginn für eine Unterhaltung mit der Person, die die Platte anhört.“
Die Platte endet mit dem alten Leben von Hannah Merrick. „It’s Me and You, Kid“ geht richtig ab – das einzige Lied, das man mitsingen kann, sagen sie. Es erzählt von dem Abend, an dem sich Craig und Hannah beim Kellnern in Liverpool kennenlernten. Sie singt, dass es hoffentlich die letzte Bar-Schicht ihres Lebens war. Und dass sie den Rest ihres Lebens mit dem verbringen wollen, was sie wirklich mögen: King Hannah. Wir drücken die Daumen, dass die beiden von der Musik leben können. Am Besten auf immer und ewig.
Text: Ralf Summer