Gschichterln aus dem Park Café VÖ 09.07.21
11 Songs in DLDGG-Dur und ein Drama in 21⁄2 Minuten
Mit „Gschichterln aus dem Park Café“ gelingt es der Liga der gewöhnlichen Gentlemen, DAS Corona- Album des Jahres vorzule … Hallo? Noch da? Nicht einschlafen, das war nur ein Scheherz! Sollen sich andere dran versuchen, die 5 Gewöhnlichen frönen lieber der hedonistischen Dekadenz. „Arbeits“titel der vorliegenden Sammlung von Popsongs war „11 Songs in DLDGG-Dur“, geplant war eine Platte mit ausschließlich positiven (i. S. v. „erfreulichen“) Themen, so eine richtig schöne, optimistische Balla-Balla- Platte. Doch „Rebekka will ihr Rad zurück“ musste drauf. Sehr guter Song, aber das 21⁄2-Minuten- Kitchen-Sink-Drama schmiss das schöne Konzept über den Haufen.
Nun also „Gschichterln aus dem Park Café“. Das Park Café in Altona, gleich neben dem Hundespielplatz, laut dem Soul-Connaisseur Jan Drews, Freund des Hauses, der schönste Ort Hamburgs. Oder war es sogar der schönste Ort der Welt? Auf dem Monobloc von Massonet Platz genommen und durchs dichte Blätterwerk in die Sonne blinzeln, so richtig schön die eine Tatze an der Cola, die andere Tatze am Honigtopf des Lebens. Da kommt man auf Ideen, sogar auf Songideen. Und deshalb liebe Gemeinde, „Gschichterln aus dem Park Café“!
Fünf gewöhnliche Mitternachtsrenner
Nachdem Zwanie Jonsons Studio in der Lerchenstraße abgerissen wurde und die Gewöhnlichen quasi ihres Clubhauses verlustig gingen, wurde als neuer Treffpunkt eben jenes Park Café auserkoren. Apropos Zwanie … war mal an der Zeit, einen Song über den lieben Freund zu schreiben, et voila: „Yo Zwanie!“ 5 gewöhnliche Mitternachtsrenner mit einer neuen Soul-Vision über ihren ehemaligen Drummer direkt ausm Park Café. Macht sonst niemand, kann sonst keiner, ist allein das Geld schon wert! Und hiermit ist der Hit- Reigen feierlich eröffnet.
Schöne Haare – Alte Kleidung – Speiseeis als Hauptgericht
Probleme? Vielleicht morgen, bestimmt sogar, aber heute nicht, mein Freund! Heute funken wir, und zwar „Houston, wir haben kein Problem!“Und dennoch, es ist nicht alles eitel Sonnenschein. Ein Sprichwort sagt: “Was nützen einem Haare, wenn der Frisör ein Idiot ist?“ Und so träumen wir uns durchs Blätterwerk und sehen uns auf den Balearen mit schönen Haaren bei den Memoiren. Aber nicht so halblange Ätz- Haare wie dieser Ätz-Philosoph ausm Fernsehen. Die Liga singt von so richtig schönen, von so richtig guten Haaren. Solche mit nem Schnitt! Wie Peter O’Toole sie hatte, ob in „Lawrence“, ob in „Pussycat“, egal, der sah spitze aus, ob aufm Kamel oder beim Psychiater, da gibt es keine zwei Meinungen, da beißt die Maus keinen Faden ab. Und die Musik erst: Wenn ein Raffaello von Rocher Musik wäre, dann würde das raffinierte Praliné klingen wie „Männer mit schönen Haaren“.
Und weiter träumen wir uns durchs dichte Blätterwerk, und zwar träumen wir von Menschheitsträumen. Klingt verrückt, klingt doppelt gemoppelt, is aber so. Warum nicht den uralten Menschheitstraum verwirklichen und einen 60s-A&M-Sound selber machen? Unser Traum nimmt auf einem Sonnenstrahl Platz und reist ins sonnige Kalifornien, nach 1416 North LaBrea. Das Ergebnis: „Es ist nett, nett zu sein!“ Wenn das mal nicht ein Song in DLDGG-Dur ist, sagenhaft! Mit einem echten Vibraphon!! Hat nicht jeder, macht sonst keiner, ist allein das Geld schon wert.
Jetzt noch das richtige Hemd dazu, eins mit dicken, fetten Streifen und mit einem Collar Roll zum Zunge schnalzen. Wenn ihr wollt ist es kein Traum! Aber woher nehmen, wenn nicht schneidern? DLDGG-Pro- Tipp: Wenn ihr so ein „Heute ist mein Tag“-Feeling schon kurz nach dem Aufstehen verspürt, besucht den örtlichen Kilo-Shop vom Roten Kreuz, da hängt es! Stimme aus dem Off: „Ist es nicht etwas unschicklich, mitten in einer Seuche über Hemden zu singen, wie Sie es in „Kilo Shop Mod“ belieben zu tun?“ Antwort: “Wenn’s schlecht läuft, kommt nach Corona noch der Corona-Verarbeitungs-Kunst-Tsunami on top. Firma dankt. Das wird lahm, da wünscht ihr euch noch Songs über Socken. Zudem: Wenn an Corona schon niemand mehr denkt, die Hemden-Problematik, die wird’s hier noch geben.“ Stimme aus dem Off: „Wie weise, wie genial, danke Liga!“
Aber merke: Gebrauchte Kleidung allein macht noch keine gemarterten Künstlernatur aus Dir. Da muss schon etwas mehr dazu. Was denn? Na, zum Beispiel seidene Pyjamas und einen Turban tragen, Speiseeis als Hauptgericht essen, Visionen von Ernst Jandl haben und Acid Rock mit Querflöte aufnehmen. Ah, wie in dem Song „2020 – Das erotische Jahr“? Genau so!
Gentlemen & Troglodyten
Apropos „Speiseeis“: Kommen wir zum Opus Magnum dieses Opus Magnums, der Ferien-Suite bestehend aus „Ferien für immer“, „Cheer Up (You’re on holidays)“ – eine Coverversion, im Original von den großartigen Merricks – und En Route to St. Tropez. Und weil’s gerade so flutscht, wird auch noch die Ode an den Bummelstreik „Später kommen, früher gehen“ in die Suite eingemeindet. Der Bummelstreik, die kleinen Ferien für zwischendurch.
Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen … sind sie Troglodyten, welche mit heiligem Ernst über Hemden, Speiseeis und Ferien singen? Sind sie vollkommen aus der Zeit gefallen, mit ihrem aus zerkratzen alten Madness-, 60s-Pop-, A&M-, Northern-Soul-Platten destillierten DIY-Sound? Oder gerade deshalb modern? Schaffen sie nicht gerade aufgrund ihrer Sturheit stets etwas Eigenes, etwas Neues, ja etwas Modernes? Ja, Ja und nochmals Ja! möchte man nach Hören der „G’schichterln“ ausrufen. Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen ist die größte kleine Popband der Welt! Zumindest aber die größte kleine Popband West- Hamburgs.
Die Liga Der Gewöhnlichen Gentlemen – Fuck Dance, Let’s Art
Ich höre sie schon wieder mäkeln, die Pfennigfuchser und Minutenzähler, die angesichts einer guten halben Stunde Spielzeit beginnen, von Preis-Leistungs-Verhältnis und Nepper-Schlepper-Bauernfängerei zu lamentierten. Abgesehen davon, dass Länge nur sehr selten ein echtes Qualitätsmerkmal war und ist, so kann man die wahre, innere, bleibende Größe eines Meisterwerks sicherlich nicht an solch profanen Maßeinheiten festmachen. Und seien wir ehrlich – wie es diesem kunstsinnigen Quintett einmal mehr gelingt, andererwärts völlig ignorierte Glanzlichter des Alltags von der einzig wahren Liebe zu sich selbst bis hin zum tragischen Ende des vertrauten Matratzenspezialgeschäfts mit außerordentlichen Abenteuern einzigartiger Einzelgänger vom letzten großen Bohemian bis hin zum rosenzüchtenden Ruheständler des aufregenden Agentengeschäfts auf eine gefühlsgewaltige Geschehensebene zu heben, und dabei mit einer sprachlich gelassenen Eleganz zu brillieren, die sich nicht in großartigen Titeln wie Hässlich Und Faul, Musik Und Der HSV oder Fuck Dance, Let’s Art erschöpft, sondern bis in die letzten Textenden wirkt (Wo sind Verkäufer und die Matratzen jetzt nur hin?), ist nicht nur eigensinnig, sondern einzigartig. Aber es ist nicht allein die inzwischen geliebt-gewohnte Alltags-Sprachgewandtheit, die das erfrischende 2019er Vollwerk auszeichnet, vielmehr scheint die musikalische Macht des bewandert-beweglichen Fünfers von Album zu Album zu wachsen, wird hier in gut 31 Minuten doch ein makellos dargereichtes, durchweg mitreißendes stilistisches Feuerwerk zelebriert, dass DLDGG wie einen einsamen Kreativ-Kometen am hiesigen Power-Soul-Pop-Himmel leuchten lässt. Die erschreckend eingängigen Texte in packende, zum Mitsingen mitunter nahezu zwingende Melodien gegossen, nutzt die Instrumental-Abteilung zahllose Möglichkeiten der in- und ausländischen Pop-Musikgeschichte der vergangenen ca. 60 Jahre, um zeitlose Tanz- & Kunst-Diamanten zu formen. Mit bestens beherrschtem Saiten-, Schlag- und vor allem Tasten-Werk wird hier ein atemlos stilvoll gemischtes Pop-Potpourri zwischen Power-Pop und Punk, grimmiger Garage und großer Gala-Geste, geselligem Pub Rock und zickigem Funk, groovendem Soul und peitschendem Sixties-Soundtrack gezaubert, der schon beim ersten Hörgang schwindeln lässt. Ihren handwerklichen Höhepunkt aber findet die musikalische Meisterschaft des quietschfidelen Quintetts in zwei Instrumentals (Escape From Martinique und das genial-großartige Titelstück), die mich jetzt von dem ersten Sixties-Space-Spionage-Thriller-Soundtrack der DLDDD-Geschichte träumen lassen. Gekrönt von einer Cover-Gestaltung, die Geist, Gelassenheit und wahre Größe in sich vereint, hält man hier ein echtes Meisterstück in den Händen, ein wertvolles Werk, das geistigen Kleinkrämern wenn nicht gleich das Fürchten, so doch das Schweigen lehren wird. // (cpa)/Glitterhouse
DIE ZÄRTLICHKEIT
– Jangle- Pop Sensation aus Köln, Kleine Untergrundschallplatten Recording Artists. “Morrissey vocal inflections with all the bombast removed by the juxtaposition with Sarah Records style fluttering jangle.” heißt es im Blog Janglepophub über die Band. Genialer C86 Gitarren-Pop aber in modern und frisch, mit guten Texten und einem tollen Sänger. Die werden groß!