BEN SCHADOW:
Vor einem knappen Jahr erschien Ben Schadows Debüt Album ‚liebe zur zeit der automaten‘, welches in 12 Texten die dunkle Stelle zwischen uns in unseren Köpfen erhellte. Musikalisch überall zwischen den späten 50ern und späten 00ern zu Hause, versucht Ben live das Skalpell genau da anzusetzen, wo Fantasie und Realität, und wo Spaß und Ernst sich die Hände reichen: Auf der Bühne. Dass hierbei nicht nur einfach die Songs vom letztjährigen Album gespielt werden, versteht sich von selbst: Jeder, der kein kultureller Idiot ist; Jeder, der sich von einem gut gesungenen Märchen oder einer unvorhersehbaren Geschichte unterhalten lässt; Und jeder, der gute, deutsche Indiemusik mag, sollte sich das ansehen. Viel mehr ist dazu nicht zu sagen … außer an jene, die immer noch zweifeln: Am Bass von Bernd Begemann & die Befreiung, bei Dirk Darmstädter’s ‚me and cassity‘, bei ‚pretty mery k‘, manchmal an der Gitarre bei ‚Erobique‘, im Hamburger Thalia Theater bei Don Quijote, oder auf Tour mit seinem guten Freund Pele Caster habt Ihr Ben vielleicht schoneinmal gesehen, ohne dass Ihr es wusstet … mit 100%iger Sicherheit habt Ihr aber das eine oder andere Album in Eurem (virtuellen) Regal stehen, auf dem er Gitarre oder Bass spielt, oder das er produziert hat; Zeit sich mal ein genaueres Bild zu machen
Sebó:
Den Gefühlen Wort und Klang geben Es steht schon immer eine Kindergitarre in seinem Zimmer. Die Gitarre ist falsch gestimmt. Das hat zur Folge, dass immer ein harmonischer Klang zu hören ist, egal, wo er seine Finger auf die Saiten legt und anschlägt. Ein Widerspruch? Überhaupt nicht – manchmal ist die Stimmung zwar falsch, eine Disharmonie aber bewirkt sie nicht unbedingt. Und überhaupt, wer macht die Regeln? Doch dann kommt ihm sein großer Bruder in die Quere, indem er die Gitarre korrekt stimmt und unabsichtlich dafür sorgt, dass der kleinere plötzlich nichts mehr spielen kann. Das Zimmer kann in einem Haus in Bremen verortet werden. Der große Bruder ist Flo Mega und folgerichtig ist Sebó der kleine, der mit „Alles was noch kommt“ soeben eindrucksvoll seine musikalische Visitenkarte abgegeben hat. Rap und Townships Das Gitarrespielen wird Sebó jedoch nicht vermiest. „Ich habe danach angefangen, mir das Gitarrespielen in einer ganz eigenen Technik beizubringen“, lacht er inzwischen darüber, „aber ich weiß bis heute nicht, wie die Akkorde benannt werden. Ich spiele alles nach Gehör und so, wie die Finger es hinkriegen.“ Das macht er flink und verdammt gut. Doch flink und scharf ist auch seine Zunge. Auch über mangelnde Körperbeherrschung muss sich Sebó nicht beklagen. So landet er schließlich bei Rap und Breakdance. Twice As Nice nennt sich seine Crew. Irgendwann kreuzt die Lehrerin Anne Schmeckies aus Bremerhaven den Weg der Truppe. Sie ist der festen Überzeugung, dass jeder vom jeweils anderen etwas lernen kann und sie entwickelt das Projekt Each One Teach One. „Alle in der Twice As Nice-Crew wussten um ihre Fähigkeiten, aber genau so heiß waren DJ Phax und ich, Neues zu lernen“, erinnert sich Sebó, „aufgrund von Annes Kontakten und der vielen Projekte, in die sie involviert war, reisten wir auch ein erstes Mal ins Ausland – nach Italien zu einem Antirassismusfestival.“ Wenn Rap-Communities Kontakt zueinander aufnehmen, wird daraus schnell ein großes, aktives Netzwerk. Dabei wächst die Zahl der Netzknoten stetig. „Einer dieser Knoten war plötzlich einer in Kapstadt“, sagt Sebó, „so war es möglich, auch dorthin zu fliegen, eine Tour durch die Townships zu machen und dort gemeinsam mit den Südafrikanern zu performen. Seitdem übt das Reisen eine ganz große Faszination auf mich aus und der kreative Austausch hat für mich höchsten Stellenwert.“ Loggbuch des Lebens Nach vielen Reisen, die knapp fünf Jahre andauern und nicht nur nach Südafrika, sondern auch nach Indien oder Sibirien führen, trägt Sebó ein Loggbuch des Lebens mit sich. Eins, das vor Geschichten geradezu überbordet. Große Geschichten sind dort genau so zu lesen, wie die kleinen am Rande. Die bewussten und die zufälligen. Tausend Blickwinkel haben sich geöffnet. Und die ganze Vielfalt dieses Lebens ist auf Sebó niedergeprasselt. Und dann ist da noch das Hier und Jetzt. Schließlich ist der Musiker seit sechs Jahren in Hamburg sesshaft. Das Heute wird so zusätzlich vom Vergangenen und Erinnertem überlagert und blickt in die Zukunft. „Deshalb heißt die Platte ja auch ‚Alles was noch kommt’“, lächelt Sebó. Die Reichhaltigkeit und Verschiedenartigkeit der Eindrücke muss er erstmal in den Griff kriegen. „Doch auch dabei ist die Reiseerfahrung hilfreich“, erklärt Sebó, „denn die angesprochenen tausend Blickwinkel zwingen mich gleichzeitig dazu, den Blick für das Wesentliche der Geschichten und der dahinter liegenden Gefühle zu schärfen.“ Sebó kann sich dabei regelrecht festbeißen. Er hat die Fähigkeiten, mit seinem facettenreichen, soulig gefärbten Timbre und den perlenden Gitarrentönen, größten Gefühlen klaren Ausdruck in Wort und Klang zu verleihen. Dabei balanciert er das große Ganze, das gesagt werden muss mit den winzigen Details aufs Feinste aus. Seine Lieder, mit ihren seelentiefen, deutschen Texten, bewegen sich zwischen kontemplativer Versenkung und expressiver Hochspannung. „Ich schreibe immer auf zwei Ebenen gleichzeitig“, reflektiert Sebó den Entstehungsprozess, „auf der des Textes und auf der des Klangs. Beide erzählen die gleiche Geschichte. Doch müssen sie auch losgelöst voneinander funktionieren.
FRÈRE:
Ist es noch erwähnenswert einen Songwriter und seine Songs als intim, nachdenklich, authentisch oder atmosphärisch zu beschreiben? Ja, weil es das ist was wir daran spüren. Weil es diese paar gezupften Töne und diese fragilen Gesangslinien sind die den klangleeren Raum für uns mit etwas füllen.
Hinter dieser Fülle an Spürbarem steht Frère mit seinen lautgemalten Worten und ihrem talentiert fließenden Rahmen aus gezupften Tönen.
Unaufgeregt und doch aufbegehrend verknüpft er diese Grundsätze immer wieder zu einem ihm ganz eigenen Muster. Diese Muster, diese Songs sind facettenreicher als nur melancholisch, auch grauer als nur schwarz, und weil es niemand hört wenn du als einziger keinen Beifall spendest bieten sie auch immer eine Pointe, einen Ausweg.